Am 1.11. ist Allerheiligen. Ein wichtiger - und ein schwerer - Tag für alle Trauernden.
Der Verlust eines geliebten Menschen ist ein tiefer Einschnitt in die eigene Lebensreise. Als zertifizierter Trauerbegleiter weiß ich um die Bedeutung, diesen Verlust in der Trauer zu verarbeiten. Ganz rational unterscheidet man vier verschiedene Phasen der Trauer. Diese Phasen laufen aber nicht linear ab, sie wechseln sich ab, sie werden mal stärker, mal schwächer. Für Außenstehende ist es oft so schwer zu verstehen, was da in einem trauernden Menschen vor sich geht. So steht ein Trauerbegleiter nicht nur dem Trauernden, sondern auch dessen Umfeld als Ratgeber zur Seite. Und ja, das Thema Trauer ist immer noch oft ein Tabu-Thema. In unserer schnelllebigen Zeit hat man nach dem Tod der Mutter, des Vaters, des Partners oder vielleicht sogar des eigenen Kindes möglichst bald wieder zu „funktionieren“. Aber Trauer macht SINN. Trauer ist wichtig. Trauer muss gelebt werden (können)!
Sehen wir uns das Thema Trauer einmal mit meinem SINN-Modell an:
S – Selbstfindung
Durch den Tod eines geliebten Menschen verlieren Hinterbliebene oft den Halt. Sie waren doch immer so ein gutes Team… Als mein Schwiegervater völlig überraschend an einem Herzinfarkt verstarb, war der Schock für uns alle, aber besonders natürlich für meine Schwiegermutter, groß. War er es doch, der ihr in so vielen Dingen geholfen hat, der alles reparieren konnte, der der „Fitte“ von den beiden war. Gerade bei Ehepartnern, die so viele Jahre ein eingespieltes Team waren, ist das Zurückgeworfen werden auf sich selbst allein der schwerste Part. Wer bin ich denn noch ohne sie/ihn? Wie geht es jetzt weiter ohne sie/ihn? Was will ICH jetzt eigentlich? Und unweigerlich tauchen die Überlegungen auf: „Was würde sie/er jetzt dazu sagen?“, „Darf ich überhaupt wieder glücklich sein?“. Die klassischen Fragen der Selbstfindung „Wer bin ich? Was kann ich? Was will ich?“ sind ein wichtiger Teil der Trauerbegleitung, um in die letzte Phase der Trauer – der Neuorientierung – einzutreten.
I – Innerer Frieden
Natürlich macht es einen großen Unterschied, ob der Trauernde die Chance hatte, sich vom Verstorbenen zu verabschieden. Bei langen Leidenswegen, bei denen das Hinübergehen in die andere Welt eine Erlösung ist, konnte sich die Umgebung darauf vorbereiten, konnten etwaige Unstimmigkeiten noch bereinigt, konnte vielleicht die Beerdigung schon geplant werden. Ganz anders bei Unfällen, bei überraschendem Tod. Hier kann der innere Frieden oft nur schwer wiederhergestellt werden. „Hätte ich mich doch nicht mehr gestritten“, „hätte ich mich doch nochmal gemeldet“, „hätten wir doch noch mehr Zeit miteinander verbracht…“. Schuldgefühle, die Hinterbliebene oft den Rest ihres Lebens begleiten. Auch hier hilft der Trauerbegleiter, Stück für Stück diese Gefühle zu benennen, daran zu arbeiten und den inneren Frieden wiederherzustellen.
N – Nutzen
Oft erachten Trauernde ihr Leben plötzlich als sinnlos, weil sie sich nutzlos vorkommen. Die Kinder leben ihr eigenes Leben, da stört man ja nur. Der eigene Freundeskreis wird im Alter eh schon immer kleiner – und nun fällt die Seite noch weg, die mehr die Freunde des Verstorbenen waren. Oft hört man von Trauernden „Ach, hätte sie/er mich halt gleich mitgenommen. Was soll ich denn noch hier?“
Hier ist es die Aufgabe, langsam und behutsam, den Trauernden an Aufgaben, an Verantwortungen heranzuführen, die ihm wieder Sinn geben, die ihm wieder zeigen, dass er gebraucht wird. Doch der Weg kann lang sein und benötigt von allen Beteiligten viel Geduld und Fingerspitzengefühl. Der Impuls muss vom Trauernden kommen, alles „Aufgezwungene“ führt zu nichts.
N – Neuorientierung
Die Definition von Trauerarbeit ist „die gedankliche und gefühlsmäßige Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit des Verlustes“. Bei den Phasen der Trauer beruft man sich meist auf die Schweizer Psychologieprofessorin Verena Kast. Sie teilt den Prozess der Trauer ein inDie Phase des Schocks, in der der Trauernde den Verlust nicht wahrhaben will